Früher hies das noch: "Machs geil wie Kenny - Knieschleifen in zwei harten
Stunden".
Da fing das Frühjahr noch nicht an mit dem Titel begann: "Sicher durch die
Saison - sanfte Trainingseinheiten für Wiedereinsteiger".
Ach ja. Seufz.
Heute muß man sich am Bikertreff "Sonnenblume" wortreich für allzu
verantwortungslose Schräglagenwinkel in der Zitterkurve vor dem Lokal -
einst hieß das ja noch Applauskurve - entschuldigen. Früher wurde man
ohne signifikant angeschliffene Kniepads noch mit Schimpf und Schande
vom Hof gejagt. Aber da hieß das Restaurant auch noch nicht
"Sonnenblume". Damals stand"Zum rotäugigen Benzinbruder" überm Eingang.
Dabei wissen die sicherheitsbewußten Motorradfahrer des neuen
Jahrtausends ja überhaupt nicht, was ihnen entgeht: Es gibt ja sowieso
nichts Schöneres, als eine elegant, mit Dampf durchzirkelte Kurve. Die
Kurve in all ihren Variationen ist die Krönung des Motorradelns, egal ob
lang gezogen oder eng. Entscheidend ist allerdings - wie beim
Austernessen das kräftige Kauen - daß man die Kurve auch spürt. Wer mit
zusammengekniffenen Hinterbacken und Schräglagengrusel durch die Gegend
schleicht, kriegts nicht mit. Motorradfahren ohne Schräglage ist wie
Weintrinken mit Cola-Verdünnung. Wie Horror-Thriller mit Augenzuhalten.
Ach was. Schlimmer! Völliges Banausentum! Zumal sich die Schleicherei ja
gerne mit der Moral der Verantwortlichkeit, des Sicherheitsbewußten
ziert.
Alles Fehlanzeige. Von der panikartigen Angst vor der fühlbaren Dynamik
des Einspurgeräts bis hin zur enthemmten Raserei ist es ein weiter Weg.
Den müßte der Verschreckte erst mal überwinden. Wer will bestreiten, daß
unsichere und langsame Fahrer viel eher Gefahr laufen, auf die Nase zu
fallen? Und wenn, dann wissen sie nicht einmal, warum es plötzlich
dahinging. Sie erklären das dann mit dem immergleichen, selbigen,
einzigen Grund: Ich war zu schnell.
Dabei ist Zu-schnell kein Maß. Es ist eine Relation. Zu schnell für die
Kurve? Oder zu schnell für die hilflos am Anschlag zuckende
Panikschaltung des Stammhirns? Zu schnell für Rollsplitt, Kuhmist oder
Gegenverkehr hat auch nichts mit objektivem Zu-schnell zu tun. Eher mit
subjektivem Erleben und Reagieren. Früher hat man das so gesehen: Wenn
ein anderer in derselben Ecke noch am glitschenden Rinderdung vorbei
kam, dann war er Genau-richtig. Und Du einfach blind. Zu schnell? Was'n
das?
So basisphilosophisch eingenordet sollten wir uns dem Wesentlich widmen:
Der Lust. Der Kurvenlust.
Absolutes Anfängerprogramm, aber immer wieder prima: Enge Ecken mit
ordentlich Zug am Hinterrad und in Schräglage gedrücktem Motorrad
durchzuschlenzen. Schafft einen wunderbaren Kraftbogen. Dann das
genüßliche Verkosten der Schräglage an sich: In harmonischer Linie mit
der Silhouette des Bikes sich neigen, spüren, wie die Reifengummis
souverän den Asphalt abtasten, Grip, Fliehkraft, Leichtigkeit,
In-sich-ruhen - Motorradfahren ist Meditation, Sensibilität. Gegen diese
Fortbewegung ist Autofahren wie Fernsehen. Motorradfahren - es gibt
nichts Besseres. Punkt.
Und damit sind wir auch schon bei der Schräglage. Runter mit dem Bock.
Tiefer. So lange bis das Gehirn um Hilfe ruft, die Muskeln in Beinen,
Rücken, Armen sich verhärten, alles ganz gezwungen und furchtsam wird.
An diesem Punkt sind schon ganze Motorradclubs von ambitionierten
Sportfahrern umgestiegen aufs Tourenfahren oder gar Choppern. Und ranzen
nun eifersüchtig die "Schräglagenwixer" an. Mit vollen Hosen läßt sich
gut stinken.
Wie man's macht? Der Trick ist das mentale Setup. Knieschleifer brauchen
einen Mentor. Wie Luke Skywalker Obi Wan Kenobi. Ein Windgesicht, das
einem ganz still erklärt, daß der Gummi im Normalfall gript, bis die
Ohren kratzen. Und daß das Überwinden der ganz persönlichen
Schräglagengrenze zuerst in der Übung, größtenteils aber in der
richtigen Blickführung liegt: Blick weit voraus, das entzerrt den
Horizont. Und dann ganz locker den Körperschwerpunkt neben die Maschine
schieben. Keine krampfartigen Kunststückchen. Sondern das Motorrad wie
ein Körperteil behandeln. Knie raus. Und dann fliegen lassen.
Irgendwann dann - Rennstrecken sind da unglaublich hilfreich, und man
kann nur jedem zu ein paar Hockenheim-Abstechern pro Saison raten - also
irgendwann dippt plötzlich das Knie ganz zufällig gegen den Asphalt.
Elektrisiert einen. Ich hab es! Das ist es! Es ist soo einfach!
Einmal dort gewesen, läßt sich die Kurventechnik mit dem Knie ganz
locker reproduzieren. Man weiß einfach wie weit es runter geht. Ähnlich
wie früher, als man sich nachts im Dunkeln aus dem Haus der
Schwiegereltern in spe geschlichen hat: Man wußte einfach, wie viele
Schritte es im Dunkeln bis zur Haustür waren.
Und dann? Dann macht das Knieschleifen außer Spaß plötzlich auch Sinn.
Als Schräglagensensor. Als drittes Stützrad. Als Balancierstange. Das
erste Mal mit 200 km/h einen lang gezogenen Knick entlangbürsten, als
pantherhaftes Kraftbündel eingeduckt in die brüllende Maschine,
explosionsartig in den Horizont jagen und dabei surft der Knieschleifer
sanft über den Asphalt - da überkommen selbst introvertierte Naturen
Allmachtsgefühle.
Wer das erlebt hat, weiß eh wie Motorradfahren geht. Muß nicht zu
schnell fahren, um den Kick zu kriegen. Redet kein Wort mehr darüber.
Sondern tut es einfach immer wieder.
Lechtzzz:D
Moppedfahrn!!!!
-
- Beiträge: 3715
- meble kuchenne Ruda Śląska Rybnik Tychy
- Registriert: Do 20. Dez 2007, 13:23
RE: Moppedfahrn!!!!
Schöner kann man es nicht in Worte fassen ! G.E.I.L.
So long , Pit
So long , Pit
RE: Moppedfahrn!!!!
Oh Marco, du Quell der Lyrik !
Danke für die schönen Worte !
Piet
Danke für die schönen Worte !
Piet